Freitag, 17. Juli 2015

Lothar

An einem Tag, der blöder nicht hätte laufen können, wollte ich wenigstens Ingo noch ein Highlight gönnen und eine Runde mit ihm ganz alleine Gassi gehen. Der Dicke genießt es dabei unendlich, meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. Kein respektloses Malikind, das ihm ständig von hinten in die Hacken kneift und kein hütendes Hörnchen, das ihm unablässig frontal ins Gesicht kläfft, wenn er wieder einmal etwas eingehender seine Umgebung erschnüffeln möchte. Bei solchen Runden zeigt er sich immer ungewöhnlich aufmerksam und kooperativ. Schließlich sind die Chancen auf ein paar Leckerlis auch wesentlich größer, wenn kein belgischer Raptor ihm die Brocken vor der Nase wegschnappt, die er aufgrund seiner schlechter werdenden Augen wieder nicht fangen konnte.


So fuhren wir an den Ortsrand und zogen mit reichlich Motivationsmittel und Schleppleine los. Über einer Kuppe, noch nah beim Auto, sah ich relativ weit entfernt ein Paar entgegenkommen. Da sie mich offenbar auch gesehen hatten und sie keinerlei Anstalten machten, einen eventuell vorhandenen Vierbeiner einzusammeln, liefen wir weiter. Plötzlich kam ER in unser Sichtfeld und zweifellos hatte ER uns ebenfalls gesichtet und tat was ER eben glaubte tun zu müssen. ER setzte zum Spurt auf uns an!!! Alles ging unfassbar schnell. Irgendwie hatte mein Bauchgefühl mir beim Anblick der ersten Haarspitze schon signalisiert: "dreh um und gib Gummi"! Ein Glück, dass wir oft ein Spiel daraus machen - wer zuerst beim Auto ist. Dieser Lauf war mit Sicherheit absolute Bestzeit! Und so konnte ich hinter Ingo um Haaresbreite gerade noch die Autotür zuschlagen, in der ER kläffend und fletschend einschlug. ER war noch kein Jahr alt, vielleicht 30cm hoch und größenwahnsinnige 7kg leicht und sein Name war Lothar. Zumindest seine Menschen schienen diesen Namen zu kennen, denn sie riefen ihn ununterbrochen, wenn auch ohne Erfolg, während die kleine Kackbratze noch immer vor dem Auto auf dicke Hose machte und auch vor mir noch keinen Millimeter bereit war zurückzuweichen. Lothar war wahrlich ein Prachtexemplar von einem Rauhhaarteckel mit einem obendrein, wie ich finde, ziemlich coolen Namen. Ingo zeigte unterdessen im Auto ganz deutlich, dass er wild entschlossen war, mich aus dieser ausweglosen Situation zu retten, bewies ich ihm doch gerade wieder, dass ich alleine unter keinen Umständen überlebensfähig war.


Endlich trafen die Zweibeiner am Auto ein. Und dann kam er, der Spruch, von dem ich dachte, er existiere lediglich noch in Comedy-Sendungen oder auf T-Shirts: "DER TUT NIX, DER WILL NUR SPIELEN". Meine Antwort: "Ich bezweifle, dass er für dieses Spiel den notwendigen Humor mitbringt," sorgte nur für verwirrte Gesichter. Beide waren davon überzeugt, ich hätte Angst um MEINEN Hund gehabt. "Ich dachte, da käme der Schäferhund, der dort unten wohnt. Der ist krank," erklärte Herrchen. "Ja klar," sagte ich, "meiner ist auch krank, nur anders." Ich denke nicht, dass er das wirklich verstand, macht aber nix. Die Frau meinte nur: "Ist doch egal, der hätte so oder so nicht gehört. Is halt'n Dackel." Meine Antwort "OK, für solche Fälle gibt es ja Leinen," konnte man nun gar nicht verstehen. Schließlich macht nur die Leine die Hunde aggressiv. An meinem brüllenden Hund im Auto konnte man das ja nur zu gut erkennen. Und überhaupt, Hunde machen sowas doch ganz gut unter sich aus. Da solle man sich am besten raushalten. Nun denn... vielleicht beim nächsten Mal *grins*... Ihnen auch noch einen schönen Tag... *tztztz... Kopf schüttel*.


Und so ging jeder seiner Wege... mehr oder weniger irritiert. Wenigstens kam Ingo anschließend schnell wieder runter und wir konnten noch eine entspannte Runde genießen. Nachdem er auf Schilddrüsenhormone eingestellt ist, hat sich sein Verhalten wirklich zusehends gebessert. Tausend Dank, Andrea, für diesen Tipp!!!


Die Tage zogen ins Land und nach unseren Morgenrunden fiel mir mehrfach auf, dass unser Master of Disaster in höchster Aufregung, mit gestellter Bürste und hoher Rute in den Garten stürmte und alle möglichen Ecken und Büsche kontrollierte. Ich hatte dafür keine Erklärung. Nachbars Katzen bringen ihn allerhöchstens beim unmittelbaren Sichtkontakt in Wallung. Eines Morgens kam Licht in die Sache: Soa lag im Wohnzimmer und schaute leise knurrend zum Fenster raus. Und siehe da, draußen im Garten drehte einer völlig ungeniert seine Runden und markierte nahezu alles, was seinen Weg kreuzte. Er musste unter unserem katzenfreundlichen Zaun durchgeschlüpft sein und das ganz sicher nicht zum ersten Mal - Lothar!!! Herrchen war derweil völlig relaxt auf der Straße, gemütlich an eine Laterne gelehnt, ins Telefongespräch vertieft und ließ Lothar tun, was ein Dackel eben tun muss. Ich ging raus und versuchte dem Zweibeiner zu erklären, dass da drinnen einer wohnt, der sich dazu berufen fühlt, Haus und Garten von Eindringlingen jeglicher Art freizuhalten. Die lapidare Antwort: "Ja, ja, ich pass schon auf!" Ich kann mir nicht helfen, das klang so etwa wie "Boah, Alte, erzähl's der Parkuhr". So war's wohl auch gemeint, denn ein paar Tage später drehte der kleine Saufarbene wieder ganz unverholen seine Runden durch Ingos Revier. So dachte ich mir, ein kleiner Denkzettel von Soa könne ganz hilfreich sein und allemal gesünder, als von unserem Platzhirsch persönlich gestellt zu werden. Kurz entschlossen gehe ich mit dem schlimmen Kind vor die Tür, damit sie dem Dackeltier eine Abfuhr erteilt. Soa entdeckte den Eindringling natürlich sofort und was dann passierte lässt mich vor Stolz fast platzen: Mein überhaupt gar nicht schlimmes Kind schaut den verblüfften Dackel an, schaut mich an, schaut den Dackel an und setzt sich dann fragend, mit leicht geneigtem Kopf vor mich, um mir zu zeigen, sie hat verstanden was wir zuvor lange geübt hatten! Es ist völlig unnötig, in Frauchens Beisein in unserem Garten irgendwelche Hunde anzublaffen. Sie machte dabei keinen Unterschied ob vor oder hinterm Zaun! WAS FÜR EIN GUTES KIND!!! Somit war die Mission Denkzettel zwar gescheitert, aber ich hatte dadurch unendlich viel mehr gewonnen: Vertrauen in meinen Hund. Und dieses Gefühl ist unbezahlbar! Lothar unterdessen trollte sich letzten Endes dann vor mir. Er muss jetzt einfach damit leben, dass unser Garten umgehend zwar weniger katzenfreundlich, dafür aber umso mehr dackeldicht gemacht wurde :-).



Donnerstag, 5. Februar 2015

Proudly presenting...

... Lieschen :-)
OK, ich weiß, das "one and only Lieschen" gibt es bereits ;-). Deshalb, der Richtigkeit halber und hoch offiziell: Jalisa (aus dem Arabischen = Freundin). Und das ist sie tatsächlich, eine Freundin! Zumindest für Ingo, unseren Grobmotoriker. Da hat doch unser grober Klotz allen Ernstes einen noch gröberen Keil gefunden.

Aber der Reihe nach:

Unsere Bande war seit längerem nicht mehr wirklich eine Bande. Eher ein sehr überschaubares, wenn auch äußerst dynamisches Duo *g*. Und da diese Zwei bekanntermaßen nicht die Kooperativsten waren (noch immer nicht sind und höchstwahrscheinlich auch nie sein werden... *seufz*), keimte bei den Zweibeinern im Haus der Wunsch nach pelzigem Nachwuchs. Es sollte einfach wieder ein Hund da sein, dem seine Menschen wichtig sind und dem Arbeit Spaß macht. Dieser Hund musste natürlich mit unseren Knalltüten kompatibel sein. Also: 1. kein Rüde, da Ingo keine anderen Götter neben sich duldet. 2. kein erwachsenes Mädel, da Soa davon nicht sonderlich erbaut ist (wenngleich sie auch auf Welpen recht gut verzichten kann). 3. arbeitsfreudig sollte das Modell sein. Zum 4. sollte die Endgröße etwas unter der von Soa liegen (also in erster Linie für mich im Notfall tragbar und handhabbar sein) und 5. sollte es auf jeden Fall die Varietät eines Schäferhundes sein (deutsch, holländisch oder belgisch).

Zugegeben, mein Herz schlägt noch immer für die langhaarigen Belgier. Da es aber weder Trude noch jemals Rio wieder geben wird, haben es nachfolgende Belgier ziemlich schwer und irgendwie wollte bei keinem Langhaar so wirklich der Funke überspringen. Immer war auf der über ein Jahr dauernden Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau ein Haar in der Suppe zu finden. Entweder der Kandidat gefiel optisch nicht, war von unpassender Abstammung, hatte keine gute Kinderstube, hatte Probleme psychischer oder physischer Art oder fand woanders ein Zuhause oder bei uns war der Zeitpunkt durch verschiedene Pleiten, Pech und Pannen schlichtweg unpassend oder, oder, oder... .

Die Ansprüche waren haushoch... vielleicht zu hoch. Das Vorhaben "Azubi" schien aussichtslos.  Ich hatte das Idealbild eines Schäferhundes vor Augen: weiblich, ca. 5-12 Monate alt. Am liebsten langhaarig, nicht allzu großrahmig, schön dunkel, mit richtig viel schwarz und mit schönen kleinen Ohren. Und natürlich nett sollte er (oder besser gesagt "sie") sein und nicht gerade die Übernahme der Weltherrschaft planen. Ein Welpe? Ich??? Niemals! Sowas tue ich mir doch nie und nimmer freiwillig an... *schnaub* ;-).

Am Ende kam alles wie es kommen musste. Wo die Liebe eben hinfällt :-). "Es" kam mit 11 1/2 Wochen, "es" sah und "es" siegte! Dieses Kleinteil ist so gänzlich anders und das ist gut so. Schließlich hat ein guter Hund keine Farbe. In die Ohren wird sie vielleicht noch wenigstens teilweise reinwachsen, Kurzhaar ist eh pflegeleichter, nett ist bekanntlich ohnehin die Schwester von doof und überhaupt... die Sache mit der Größe wird sowieso völlig überbewertet. Uns hat das kleine Ungetüm in allen Belangen überzeugt. Auch wenn hier seitdem alles Kopf steht und nichts mehr so ist wie es war, so ist es doch mit Haut und Haaren zu 100% unser Wunschkind *grins*.

Schon mit 11 1/2 Wochen weiß die junge Dame sehr genau was sie will 
Bereits ein Tag nach ihrem Einzug hat sie den brummigen Onkel Ingo schon komplett um ihr dickes Patschepfötchen gewickelt
Ihr Auszug ins neue Leben begann mit etwa 350km Autofahrt. Diese wurde fast vollständig verschlafen. Lediglich die abschließende Kurverei auf der Landstraße setzte ihr etwas zu. Sichtlich bemüht, das Gleichgewicht zu halten, protestierte sie zunächst ein wenig, um uns dann nach dem dritten Kreisel endgültig in aller Deutlichkeit zu erklären, dass sie das alles echt zum kotzen fand. So schlimm dann aber auch wieder nicht, denn sie ließ es sich nicht nehmen, sich das Zutage geförderte Frühstück augenblicklich wieder einzuverleiben. Dabei war sie auch nur schwer davon abzubringen, dass die Plüschdecke definitiv nicht zu diesem Frühstück gehörte.

Zuhause angelangt kam der schwierigere Teil: sie unserem Duo Infernale als neues Familienmitglied vorzustellen!
Soa begrüßte mich direkt am Auto und war schon neugierig auf dessen Inhalt. Die Neugier beruhte in keinster Weise auf Gegenseitigkeit. Der Zwerg weigerte sich standhaft, das Gefährt zu verlassen - half aber nix. Also wurde Soa fürchterlich verbellt, was diese mit schierer Ignoranz quittierte. Das Kleinteil war verblüfft und die Hälfte der Familienzusammenführung war überraschend einfach geschafft. Na super, denn mal her mit Ingo! Wer diesen Platzhirsch kennt, weiß dass sein Auftreten meist für einige Schnappatmung bei allen Beteiligten sorgt. Doch Ingo stellte diesmal alles bisher da gewesene in den Schatten. Er pöbelte und brüllte nach allen Regeln der Kunst und wollte sich überhaupt nicht mehr beruhigen. Wobei es bisher auch noch kein vierbeiniger Besucher gewagt hatte, ihn Zähne fletschend in seinem Garten in Empfang zu nehmen! Das war zuviel! Bei soviel Unverfrorenheit wollte Ingo nur noch eines: den Eindringling unschädlich machen! Und daran konnte auch ein anschließender, gemeinsamer Spaziergang nichts ändern. Der Dicke führte sich auf wie ein Hooligan und nichts konnte etwas an seiner Meinung über den Giftzwerg ändern. Tolle Aussichten... *seufz*.

Da halft nur noch Plan B: weiteratmen! Immer ein und aus, möglichst ruhig und regelmäßig ;-). Unterstützt wurde Plan B von einer stabilen Box, als Jugendknast für den Zwerg mitten im Wohnzimmer aufgestellt. Dann spendierten wir allen eine Runde Rinderkopfhaut (äm... nur für die Hunde) - kauen soll ja beruhigen und nach etwa 2 Stunden seit der Ankunft war die Aufregung dahin und das junge Fräulein konnte aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Ingo nahm sie etwas argwöhnisch unter die Lupe und der Käse war gegessen - Punkt. Seitdem hat der kleine Wutnickel die beiden Großen nahezu im Griff und die Sache mit der Weltherrschaft kann in die Planungsphase gehen *gg*. 

Wir sind gespannt und freuen uns auf die weitere Entwicklung!