Montag, 28. März 2011

No Risk no Fun!

Frei nach diesem Motto entschloss ich mich am späten Samstagnachmittag, mit Soa am nächsten Tag bei der Begleithundeprüfung nicht, wie geplant, als Dummy für einen Vereinskollegen mitzulaufen, sondern uns gleich als Prüfungspartner ganz regulär zur Prüfung zu melden. Selbstverständlich nur nach vorheriger Rücksprache mit Soa ;-). Sie versicherte mir, dass sie ihr Bestes geben würde und genau das tat sie auch an diesem denkwürdigen, gestrigen Prüfungstag! Die Kleine war ganz großartig, und dass ich sie vor lauter Anspannung völlig aus dem Konzept brachte, dafür konnte sie ja nun wirklich nichts.

Die Prüfung begann mit der Unbefangenheitsüberprüfung, was nichts anderes bedeutet, als eine schnöde Chipkontrolle. Für ein schissiges Tervuerenmädchen, das grundsätzlich niemals einem Fremden traut, ist so etwas nicht gerade eben eine Kleinigkeit. Für diese Angsthasen ist jedes Gerät in der Hand eines Fremden eine potentielle Waffe und der Angreifer wird vorsorglich in putativer Notwehr außer Gefecht gesetzt. Also war schon alleine die Chipkontrolle eine Zitterpartie... aber nur für mich! Soa blieb tapfer... und das Lesegerät STUMM!!! Es war kein Chip zu finden und allgemeine Hektik machte sich breit, woraufhin gleich mehrere Fremde auf uns zu stürzten, zuerst mit guten Ratschlägen. Ich musste das Halsband ausziehen und Soa stand völlig losgelöst in der brabbelnden Menge. Danach fummelten nacheinander unterschiedliche Männer an meinem zur Salzsäule erstarrten Hund herum... und fanden NICHTS. Sollte man in Holland etwa den Chip vergessen haben? Im Ausweis stand klar und deutlich: "left shoulder". Nun ja, nach umfangreicher Suchaktion sagte das Gerät nach mehreren Minuten irgendwo an der rechten Brust endlich ganz leise "piep". Fast wäre es in der Hektik unbemerkt geblieben. Zu diesem Zeitpunkt bildete mein Puls bereits eine Flatline, was einem sensiblen Hund natürlich nicht verborgen bleibt. Und so folgte mir Soa, sichtlich verwirrt und besorgt, auf den Platz.

Wir mussten mit der Ablage beginnen, während Benji sein Laufschema abspulte. Hier hatte das GUTE Kind mein vollstes Vertrauen. Ich war mir sicher, sie würde liegen wie eine Sphinx, was sie schließlich auch tat. Leider behielt sie diese Haltung auch bei, als ich sie abholen wollte. Ein "Sitz" konnte ich ihr nur entlocken, indem ich mit der Hand vor ihrer Nase herum fuchtelte, was natürlich Punktabzug wegen unerlaubter Hilfe nach sich zog...

Wir schlurfen an Richter und Prüfungsleiter vorüber - man beachte meine verkrampften Gichtkrallen! Wenigstens trägt Soa weiterhin die Rute lustig nach oben :-)

So schritten wir mit bereits angekratztem Punktekonto zur Leinenführigkeit. Soa war dabei von meinem Nervenflattern derart irritiert, dass sie meist fast einen Meter Sicherheitsabstand zu mir einhielt. Meine acht durch die Gruppe hatte eher etwas von einer verunglückten zwölf oder was auch immer. Jedenfalls schickte der Richter uns noch einmal da durch und Soa begann entnervt, sich zu verdrücken. Die Freifolge sah nicht viel besser aus. Mein Hund lief plötzlich irgendwo rechts hinter mir! Danach wurde aus dem "Sitz aus der Bewegung" ein gepflegtes "Platz". Ich hörte es bereits am "Ooooooooch" aus der Menge... *schluck*.

Die Sache mit dem "Sitz aus der Bewegung"... ups... was soll's... don't worry, be happy!

Nun kam unsere Paradedisziplin: "Platz aus der Bewegung". Soa liebt diese Übung und jeder Malinois würde dabei in der Regel vor Neid erblassen. Allerdings so überdreht wie mein Befehl bei Soa ankam, grenzte es fast an ein Wunder, dass sie sich danach überhaupt noch heran rufen ließ. Trotzdem ließ sie Gnade vor Recht ergehen, kam auf mein "Hier" in altgewohnter Manier herangeprescht, setzte sich aber sicherheitshalber einen halben Meter hinter mich um dann nach zweimaliger Aufforderung ins "Fuß" zu schleichen. Ich musste lachen und knuddelte das verschreckte Seelchen erst einmal richtig durch. Jetzt war sowieso alles egal.

Die folgende Bewertung durch den wirklich sehr fairen Richter, Peter Rihm, zeugte nicht gerade von einer reifen Leistung: Wir hatten 44 von 60 möglichen Punkten erreicht! Was aber auch letztlich nichts anderes bedeutet, als noch haarscharf im Rahmen der erforderlichen 70% zu bleiben!!!

Ich war mir sicher, dass wir uns im folgenden öffentlichen Prüfungsteil keine Schnitzer mehr erlauben durften. Trotzdem war die Aufregung so gut wie verflogen, frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's gänzlich ungeniert! Das war für Soa genau die richtige Einstellung, denn noch mehr Theater konnte sie nicht mehr vertragen. Ich hatte sie gerade genug genervt.

Wir gingen uns jetzt erst einmal etwas die Beine vertreten, ein wenig spielen und Dampf ablassen. Dabei begegneten uns ein paar Hunde, bei denen Soa mächtig den Leinenrambo rauskehrte. Irgendwo musste ihr angestauter Frust jetzt einfach hin. Auch die Hunde, die in den Autos randalierten, brachten sie ziemlich aus der Fassung und sie pöbelte nach Leibeskräften zurück. Da half nur noch, pfundsweise Fleischwurst in das schlimme Kind zu stopfen, was die Situation wieder extrem entspannte, den Wurstvorrat aber auch vollständig aufzehrte. Langsam machten wir uns auf den Rückweg und tappten dabei auch schon mitten in unseren letzten Prüfungsteil.

Auf dem Schotterweg vor dem Hundeplatz wurden wir ohne Vorwarnung von einem klapprigen, alten Fahrrad laut klingelnd überholt. Ich bin erschrocken, Soa nicht *lach*! Sie fuhr nur einmal kurz zusammen, als ein parkendes Auto, das mit geöffneter Heckklappe am Wegrand parkte, mitsamt kläffendem Inhalt förmlich 1 Meter vom Boden abhob. Sie kam jedoch sofort wieder ganz vorbildlich bei Fuß und lief artig weiter.

Danach mussten wir auf diesem Weg zwischen 2 uns bekannten Hunden durch laufen, während ein weiterer Hund weiter oben wartete. Soa flippt sonst regelmäßig aus, wenn einer der Hunde in Sichtweite kommt, weil sie unbedingt zocken möchte. Diesmal blieb sie glücklicherweise gelassen. Einer der "Testhunde" war unser Prüfungspartner Benji. Er interessierte sie überhaupt nicht. Schließlich hatte sie ihn längst schon aus der Nähe bewundern und für gut befinden können.

Nun zitierte der Richter einige zum Teil für Soa völlig Fremde herbei, um als Gruppe zu fungieren. Zwischen ihnen mussten wir „Halt“ machen. Soa musste ins „Platz“ und ich sollte dabei eine Leinenlänge Abstand halten. Dann ging die ganze Gruppe ganz dicht auf sie zu. Sie blieb tapfer liegen, hielt aber ständigen Blickkontakt zu mir. Mir blieb nichts anderes, als ihr dabei Grimms Märchen oder anderes belangloses Zeug zu erzählen. Egal, es verfehlte seine Wirkung nicht, obwohl dabei ständig so ein depperter Typ mit seiner Leckerlitüte raschelte, wiederholt haarscharf auf Soa los tappte und sie unentwegt von oben herab anglotzte!!! Ich kannte ihn noch von früher. Für ihn war es die Gelegenheit, mir noch eins auszuwischen. Dieser Versuch ging aber, dank einer obercoolen Soa, gänzlich in die Hose!

Anschließend ging der Richter noch mal dicht zu ihr hin und beugte sich über sie. Sie fand das vollkommen überflüssig, ertrug es aber auch mit Fassung.

Danach musste ich mit ihr auf den Richter zulaufen und er begrüßte mich lautstark und schüttelte mir wild gestikulierend die Hand. Soa zeigte sich völlig unbeeindruckt!!!

Zum Abschluss musste ich sie noch am Einganstor anbinden und hinter den Autos außer Sichtweite gehen. Dann liefen Benji und Azana noch mal auf sie zu und blieben kurz vor ihr stehen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was dort noch mit ihr veranstaltet wurde. Auf alle Fälle hörte ich nicht ihr übliches, freches Kläffen oder gar ein hysterischen Kreischen von ihr und alles schien im grünen Bereich zu sein. Irgendwer sagte mir später, Soa hätte die ganze Zeit über nur durchs Tor auf den Vorplatz geschaut. Schließlich gab’s dort vorher jede Menge Leckerlis.

Damit hatte mein Mädchen diesen Teil vorbildlich gemeistert. Dabei fand ich den öffentlichen Teil der Prüfung relativ umfangreich und gar nicht so ohne. Mit Rio hätte ich da wirklich ein Problem gehabt. Sie kann zwar in jedem Trubel ohne Leine mit mir laufen, aber ein paar Situationen hätte sie doch ziemlich gruselig gefunden. Da hatte ich schon von wesentlich lockereren Verkehrsteilen gehört. Aber zumindest muß ich nun nicht das Gefühl haben, dass uns die Prüfung geschenkt wurde und auf mein kleines Pelzgesicht bin ich mehr als stolz. Irgendwie weiß sie immer, wann es darauf ankommt und hat mir damit einmal wieder den A... gerettet *fettes Steak ins dürre Kind schieb*.

Der Richter gratulierte uns zur ersten, bestandenen Prüfung des Tages und lobte Soa abschließend als SEHR ausgeglichenen, wesensfesten und sozialen Hund, der sich bei Einflüssen jeglicher Art freundlich und völlig unbeeindruckt zeigt!!! Ein Glück hatte er sie morgens nicht erlebt, als ein Mannschaftskollege ihr versehentlich auf den Schwanz getreten war. Er hatte Glück, dass er festes Schuhwerk trug, Soa hätte ihn sonst glatt am Stück verschluckt!

Jedenfalls hatten wir die Prüfung definitiv erst durch den souveränen Verkehrsteil bestanden, was mir später auch so bestätigt wurde *schluck*. Trotzdem fand ich den Richter überaus gerecht. Benji und Soa haben nicht nur eine Chance von ihm bekommen. Das hätte auch ganz anders für uns laufen können. Benjis Nerven wollten leider bei der Ablage schon nicht mehr mitspielen und er versuchte auch beim zweiten Versuch, sich leise, still und heimlich zu verdrücken. Wir hatten es unseren Hunden durch unsere eigene Anspannung unmöglich gemacht ihre wahre Leistungsfähigkeit zu zeigen. Für ihre Geduld mit uns stand unseren Pelzgesichtern am Ende auf jeden Fall eine fette Extrabelohnung zu.

Das Eine steht fest: So schlecht vorbereitet werde ich keinem Hund mehr eine Prüfung zumuten. Frei nach dem Motto "No Risk no Fun"... Rio würde den ohnehin spärlichen Glauben in mich vollends verlieren. Ihr könnte ich derartig kurzfristig angesetzte Experimente keinesfalls überbügeln. Obwohl... sag niemals nie ;-). Heute liess sich mein kleiner Schisshase todesmutig und mit stoischer Gelassenheit von unserer Tierärztin mit Tupfern in den Augen herum puhlen. Alleine der Anblick, wie diese Stäbchen fast zur Hälfte in ihrem Bindehautsack verschwanden, ließ bei mir schon den Magen in die Kniekehlen absacken! Ich wäre da garantiert nicht so tapfer gewesen. Unsere Pelzgesichter sind eben doch immer für eine Überraschung gut und manchmal muss man ihnen einfach mehr vertrauen. Sie haben es mehr als verdient :-).

So... und nun kann sich die A3 auf was gefasst machen... Soa naht mit RIESEN Schritten
...

... oder auch nicht *totlach*.

Nur gut, dass unsere stark verbesserungswürdige Leistung im Training uns immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holt *gg*.
Nee, nee, nee, neeeeee... wir vertiefen jetzt erst wieder einmal ernsthaft die Lektion: "Halbstarke Tervuerenweiber müssen sich NICHT zum Karnickel-Fitnesstrainer berufen fühlen!!!"

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